Entscheidungen und Grundsatzfragen
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat einige grundlegende Entscheidungen mit Bausparkassenbezug getroffen:
Urteil des Bundesgerichtshofs vom 15. November 2022 zur Unwirksamkeit einer Klausel zu einem Jahresentgelt in der Sparphase des Bausparvertrags
I – Allgemeine Informationen zum Urteil vom 15. November 2022
Wie Sie vielleicht den Medien entnommen haben, hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom
15. November 2022 (Az. XI ZR 551/21) entschieden, dass eine bestimmte in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Bausparkasse enthaltene Klausel, mit der die Bausparkasse von den Bausparern in der Ansparphase der Bausparverträge ein sogenanntes Jahresentgelt erhebt, unwirksam ist.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs wird jedenfalls dann auch auf andere in der Sparphase des Bausparvertrags erhobene Entgelte und damit auch auf andere Bausparkassen übertragbar sein, wenn die jeweilige Bausparkasse mit der von ihr verwendeten Klausel ein Entgelt (oftmals auch als Kontogebühr bezeichnet) für die Tätigkeiten der bauspartechnischen Verwaltung, Kollektivsteuerung und Führung der Zuteilungsmasse erhebt. Denn der Bundesgerichtshof hat diese Tätigkeiten weder als vertragliche Hauptleistungen der Bausparkasse, noch als Sonderleistungen angesehen (vgl. hierzu auch die Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 15. November 2022).
Möchten Sie vor diesem Hintergrund die Erstattung von in der Sparphase des Bausparvertrags erhobener Entgelte gelten machen, möchten wir Sie bitten, sich mit Ihrem Anliegen zunächst unter Angabe der konkreten Vertragsnummer und des erhobenen Entgelts an Ihre Bausparkasse zu wenden. Diese Bitte gilt auch, wenn Sie bereits ein Schlichtungsverfahren bei uns eingeleitet hatten und dieses unter Verweis auf das Vorliegen einer ungeklärten Grundsatzfrage durch Beschluss der Schlichter beendet worden ist. Bitte berücksichtigen Sie, dass auch Ihre Bausparkasse angesichts der Vielzahl der derzeit eingehenden Anfragen einige Zeit für die abschließende Bearbeitung Ihres individuellen Anliegens benötigt.
Unabhängig davon können Sie selbstverständlich bereits jetzt ein Schlichtungsverfahren bei uns einleiten. Konkrete Informationen, wie Sie einen Schlichtungsantrag einreichen und welche weiteren Angaben und Unterlagen wir von Ihnen benötigen, finden Sie unter dem Menüpunkt Verfahren/Schlichtungsantrag einreichen.
II – Konstellationen, in denen derzeit keine Entscheidung der Schlichter ergehen kann
Bitte beachten Sie, dass die Schlichter derzeit in zwei Fallkonstellationen nicht in der Sache entscheiden, d. h. keinen Schlichtungsvorschlag unterbreiten können, da es sich um grundsätzliche Rechtsfragen handelt, die höchstrichterlich noch nicht entschieden sind.
1. „Servicepaket“
Zum einen betreffen viele Anträge, die uns derzeit zugehen, die Erstattung eines jährlichen Entgelts für ein bei Abschluss des Vertrags durch eine Bausparkasse vereinbartes sog. Servicepaket. Dieses Servicepaket umfasst die Teilung, Zusammenlegung, Ermäßigung und Vertragsübertragung während der Sparphase und ist nicht gleichzusetzen mit der „Servicepauschale“ einer anderen Bausparkasse.
Nach Auffassung der Schlichter ist das Servicepaket nicht ohne Weiteres mit dem Jahresentgelt, über das der Bundesgerichtshof am 15. November 2022 entschieden hat, vergleichbar. Mit dem Jahresentgelt berechnete die Bausparkasse in der Sparphase ein Entgelt für die bauspartechnische Verwaltung und Steuerung des Bausparkollektivs sowie die Führung der Zuteilungsmasse. Das Servicepaket hingegen betrifft jedoch weder die bauspartechnische Verwaltung noch enthält es ein Entgelt für die Führung des Bausparkontos in der Sparphase. Wegen der ungeklärten Fragen im Zusammenhang mit der von der Bausparkasse verwendeten Klausel zum Servicepaket sehen die Schlichter von einer Entscheidung in der Sache ab.
2. Geltung der dreijährigen Regelverjährung
Zum anderen beinhalten viele Schreiben, die aufgrund der o. g. Entscheidung an uns gerichtet werden, den Antrag, dass die betroffene Bausparkasse die gezahlten Entgelte für die letzten zehn Jahre oder sogar seit Vertragsschluss erstatten soll.
Erhebt die betroffene Bausparkasse in diesen Fällen die Einrede der Verjährung, stellt sich bei berechtigten Erstattungsverlangen die Frage, ob ein Anspruch auf Erstattung über die nach §§ 195, 199 BGB geltende regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren hinaus gegeben ist.
Zur Begründung Ihres Anspruchs berufen sich die Antragsteller in der Regel auf die Urteile des Europäischen Gerichtshofs vom 10. Juni 2021 (Aktenzeichen: C-609/19 und C-776/19 bis C-782/19) zu Fragen der Verjährung von Rückzahlungsansprüchen von Verbrauchern bei missbräuchlichen Klauseln in Fremdwährungskrediten.
Mit diesen Urteilen hat der Europäische Gerichtshof zunächst klargestellt, dass Verjährungsrecht nationalem Recht unterliegt und Verjährungsfristen von drei und fünf Jahren grundsätzlich nicht zu beanstanden seien. Er hat aber auch darauf hingewiesen, dass eine (nationale) Verjährungsfrist für die Forderung auf Erstattung aufgrund missbräuchlicher Klauseln erfolgter Zahlungen nicht abgelaufen sein darf, bevor der Verbraucher die Möglichkeit hatte, von der Missbräuchlichkeit der Klausel Kenntnis zu nehmen.
Vor dem Hintergrund dieser Urteile und ihrer ungeklärten Auswirkungen auf das nationale Recht sehen die Schlichter auch die mit den Erstattungsansprüchen verbundenen Verjährungsfragen als höchstrichterlich ungeklärte Rechtsfragen an, über die im Schlichtungsverfahren nicht entschieden werden kann.
In beiden zuvor genannten Konstellationen ergeht daher kein Schlichtungsvorschlag. Die Schlichter erlassen vielmehr einen Beschluss nach § 3 Abs. 2 a) der Schlichtungsstellen-Verfahrensordnung, wonach das Verfahren nicht durchgeführt werden kann. Denn die Klärung grundsätzlicher Rechtsfragen ist der Rechtsprechung der Gerichte vorbehalten.
Urteil des Bundesgerichtshofs vom 9. Mai 2017 zur Unwirksamkeit einer Klausel zu einer Kontogebühr in der Darlehensphase von Bausparverträgen
Mit Urteil vom 9. Mai 2017 (Az. XI ZR 308/15) hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass eine vorformulierte Bestimmung über eine vom Verbraucher in der Darlehensphase des Bausparvertrags zu zahlende Kontogebühr unwirksam ist.
Urteile des Bundesgerichtshofs vom 21. Februar 2017 zur Kündigung von Bausparverträgen zehn Jahre nach Zuteilungsreife
Mit zwei Grundsatzurteilen vom 21. Februar 2017 (Az. XI ZR 185/16 und XI ZR 272/16) hat der BGH entschieden, dass eine Bausparkasse Bausparverträge gemäß § 489 Abs. 1 Nr. 3 BGB (jetzt: § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB) kündigen kann, wenn die Verträge seit mehr als zehn Jahren zuteilungsreif sind.
Zur Begründung hat der BGH ausgeführt, dass auf die Bausparverträge Darlehensrecht anzuwenden ist, denn während der Ansparphase eines Bausparvertrages ist die Bausparkasse Darlehensnehmerin und der Bausparer Darlehensgeber. Erst mit der Inanspruchnahme eines Bauspardarlehens durch den Bausparer kommt es zu einem Rollenwechsel.
Nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB a.F. steht dem Darlehensnehmer bei einem Darlehensvertrag mit einem festen Zinssatz das Recht zu, sich zehn Jahre nach dem vollständigen Empfang des Darlehens unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten durch Kündigung vom Darlehensvertrag zu lösen.
Da beim Bausparvertrag mit dem Eintritt der erstmaligen Zuteilungsreife vom vollständigen Empfang des Darlehens durch die Bauparkasse auszugehen ist, kann eine Bausparkasse einen Bausparvertrag zehn Jahre nach diesem Zeitpunkt nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB unter Einhaltung einer sechsmonatigen Kündigungsfrist kündigen.
Daneben hat der BGH in den beiden o. g. Urteilen vom 21. Februar 2017 ebenfalls klargestellt, dass eine Bausparkasse einen Bausparvertrag auch nach § 488 Abs. 3 BGB kündigen kann, wenn die Bausparsumme voll angespart ist. Da sich der Darlehensanspruch des Bausparers aus der Differenz zwischen dem Bausparguthaben und der Bausparsumme errechnet, hat der Bausparer keinen Anspruch mehr auf ein Bausparlehen, sobald das Bausparguthaben die Bausparsumme erreicht. Infolgedessen ist die Bausparkasse berechtigt, den Bausparvertrag nach § 488 Abs. 3 BGB unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist zu kündigen.
Urteil des Bundesgerichtshofs vom 7. Oktober 2010 zur Zulässigkeit der Abschlussgebühr
Bereits im Jahr 2010 hat der BGH mit Urteil vom 7. Oktober 2010 (Az. XI ZR 3/10) ausdrücklich bestätigt, dass eine Bausparkasse berechtigt ist, bei Abschluss eines Bausparvertrags eine Abschlussgebühr zu erheben.
So hat der BGH entschieden, dass der Bausparer durch die Erhebung der Abschlussgebühr nicht unangemessen benachteiligt werde. Zwar diene die Abschlussgebühr dem Vertrieb von Bausparverträgen und damit der Finanzierung der Kosten der Außendienstmitarbeiter. Dies sei jedoch nicht allein im Interesse der Bausparkasse, sondern komme auch den kollektiven Interessen der Bauspargemeinschaft und damit auch dem einzelnen Bausparer zugute. Die Erhebung einer Abschlussgebühr durch die Bausparkasse ist also gerechtfertigt.